Thursday, 30. October 2008

Das Meer, das Meer

Wir sind auf der letzten Etappe unserer Reise angekommen und hier hat uns die Zivilisation wirklich wieder. Viel haben wir noch nicht gesehen, aber das Wichtigste mal zuerst: das Gateway of India.

Gate of India

28 Stunden im Zug

29.10. (Tag 1 im Zug) 11:31

Der Zug faehrt los, superpuenktlich und wir sind drin. Allerdings zur Zeit mit nur einem Liegeplatz. Wir standen wieder auf einer Warteliste, aber diesmal war es eine andere Art, so dass wir wenigstens beide mitfahren duerfen. Angeblich kommt gleich der Schaffner und gibt uns noch eine zweite Koje.

Tag 1, 12:03

Wir haben einen zweiten Platz! Mir ist voellig schleierhaft, wie die indische Eisenbahn funktioniert. Man denkt immer, das kann alles gar nicht gehen. Aber dann wird irgendwie doch immer alles gut. Ein absolutes Raetsel! Aber der Webmaster versteht das System. Ich wette man kann sie zukuenftig auf eine Vortragsreihe schicken: Die indische Eisenbahn und wie man nicht an ihr verzweifelt.

Tag 1, 13:46

Manchmal sieht Indien auch nicht anders aus als Niedersachsen. Die Ebene ist weit, auf den Feldern waechst irgendwelches Koernerzeug und die Baeume sehen aus, wie Baeume eben aussehen. Der Webmaster, der sich mit der Landwirtschaft auskennt, sagt, das stimmt nicht, weil die Felder zu ungleichmaessig sind und man erkennt, dass das von Hand und nicht von High-Tech-Landmaschinen bearbeitet wird. Aber fuer mich macht das keinen Unterschied. Ich denke mir die eine oder andere Palme aus dem Bild und die Lehmhuetten der Arbeiter und dann: Niedersachsen. Obwohl die Kuehe dort etwas moppeliger sind.

Tag 1, 16:37

Keinen Moment kann man den Webmaster aus den Augen lassen: In ihrer Nachbarkabine hat sie direkt Freundschaft mit den Einheimischen geschlossen. Aber es hat auch was genuetzt. Ihr neuer Freund hat ihr ueber die Sprachbarriere geholfen und dem Typen, der ueber mir einziehen wollte, klargemacht, dass er mit uns tauschen soll. Sehr schoen, so haben wir jetzt zwei Betten uebereinander. Ausserdem haben wir vom Freund des Webmasters gerade Laddoos (klebrig-suesse, aber ganz leckere Suessigkeiten) bekommen. Dazu hat er irgendwas von Verlobungsgeschenk erzaehlt - ich hoffe nur, dass heisst nicht, dass wir den Webmaster jetzt fuer ein paar Suessigkeiten eingetauscht haben.

Tag 1, 19:53

Wir sind jetzt ueber acht Stunden unterwegs und leider klappt es in diesem Zug nicht mit der Nahrungsversorgung. Chaiwallas kommen dauernd durch, eben auch ein Lassiwalla, aber der Bursche, der vor zwei Stunden die Bestellung fuers Abendessen aufgenommen hat, hat sich nie wieder blicken lassen. Man kann natuerlich auch auf jedem Haltebahnhof was kaufen. Der Webmaster kann das schon ziemlich gut, in der offenen Tuer stehen und bruellen "Do Chai!".

Tag 2, 07:29

Das Essen kam dann tatsaechlich noch irgendwann. War auch nicht uebel, aber etwas fluessig fuer so eine schaukelige Bahnfahrt. Schlafen kann man in den Zuegen erstaunlich gut. Fuer den durchschnittlichen Inder und uns westliche Zwerge sind die Kojen einigermassen geraeumig. Und das Geschaukel macht schoen muede. Vor einer guten Stunde bin ich aufgewacht, draussen ist immernoch Niedersachsen. Und weit und breit ist noch kein Chaiwalla in Sicht.

Tag 2, 10:31

Neue geografische Erkenntnisse
Nachdem wir Niedersachsen hinter uns gelassen haben, zieht am Fenster nun die afrikanische Savanne an uns vorbei. Aha, der Weg nach Bombay fuehrt also ueber Niedersachsen und Afrika. Wie auch immer, ich weiss, Bagdad muessen wir auf jeden Fall rechts runter. Das war wahrscheinlich Kolumbus Fehler, er ist in Afrika nicht rechts, sondern links abgebogen.

PS: Der Textdoctor wurde mit Chai versorgt und ist wieder halbwegs bei Kraeften - Kraft genug um mich zum Schreiben zu verdonnern.

Tag 2, 11:27

Ha, seit fast vier Wochen versuche ich, den Webmaster zum Schreiben zu animieren, aber nie wollte sie.

Wir sind jetzt seit ziemlich genau 24 Stunden unterwegs, aber bisher fuehlt es sich noch ganz ok an. Und einiges erstaunt mich wirklich. Die Toiletten zum Beispiel. Nun sind Zugtoiletten im Allgemeinen kein heiteres Thema. Aber hier sind sie echt ok, auf jeden Fall noch immer ziemlich sauber, die indischen wenigsten, die westlichen nicht so. Ebenso erstaunlich finde ich den Webmaster, der Zug faehrt wie ein echter Inder. Rausspringen am Bahnhof, was zu essen und zu trinken besorgen, ups ... der Zug faehrt ja schon wieder an - kein Problem, da springt sie dann ganz laessig wieder auf. Gerade hing sie aus der Tuer des fahrenden Zugs. Echtes Indienfeeling. Aber ich brauchte mir keine Sorgen zu machen. Der aelter Herr, der seine Koje uns gegenueber hat, und der original aussieht wie Clark Gable in braun, hat ja aufgepasst, dass der Webmaster nicht rausfaellt. Ich krieg jedesmal einen halben Herzkasper.

Tag 2, 11:52

Noch eine grundlegende Erkenntnis zu Indien: Tee wird hier quasi in Fingerhueten ausgeschenkt. In Restaurants und beim Chaiwalla an der Strassenecke bekommt man kleine Taesschen oder Glaeser, ich schaetze 150 bis 200 ml. Im Zug und am Bahnhof dagegen bekommt man Tee in homoeopathischen Dosen von 100 ml. Ich hab noch nie so winzige Pappbecher gesehen. Dafuer kostet er aber auch nicht viel, drei bis fuenf Rupien, das sind ca fuenf, sechs Cent. Nachdem schaetzungsweise siebenten gehts mir aber jetzt ganz gut.

Tag 2, 14:00

Wir sind da!

Tuesday, 28. October 2008

Happy Divali

Kurze Berichtigung vorab: Divali hat nicht heute begonnen, sondern endet heute. Man hat es auch schon die letzten Tage ueber gemerkt: die Deko, gewoehnlich blinkende Lichterketten, nahm immer mehr zu, ebenso das Feuerwerk und besonders die Boeller. Ich weiss auch nicht, ob Divali mein Lieblingsfest wird - bei den Kanonenschlaegen, die die hier haben. Bin gespannt, was hier heute Abend noch abgeht, schliesslich ist ja heute der kroenende Abschluss des Fests.

Gestern Abend ist ziemlich ueberraschend eine Heuschrecken- und Insektenplage von geradezu biblischen Ausmass hereingebrochen. Naja, vielleicht nicht ganz, aber auf jeden Fall war das nicht angenehm. Viecher aller Art haben uns auf dem Heimweg, auf unserem Balkon und sogar in unserem Zimmer attackiert.

Davor hatten wir aber einen ausgesprochen produktiven Tag: Wir sind nun stolze Besitzer zahlloser Blusen, Schals und Pluderhosen. Und ich gebe zu, auch ich habe eine gekauft - aber macht euch keine Illusionen, die werde ich nie, nie, nie in der Oeffentlichkeit anziehen. Besonders toll sind aber die Schals. Fuer die waren wir naemlich stundenlang in einer kleinen Seidenmanufaktur. Der Besitzer hat uns tausende von Schals in allen Farben und Qualitaeten vorgefuehrt - man koennte auch sagen: uns darunter begraben.

Stoffe

Bei dieser Gelegenheit wurde der Webmaster auch erstmals in einen Sari eingewickelt, was wirklich bezaubernd aussah.

Photobucket

Morgen und vermutlich auch uebermorgen wird es keine neuen Beitraege von uns geben, da fahren wir naemlich mit dem Zug nach Bombay. Wir melden uns, wenn die Zivilisation uns wieder hat.

Monday, 27. October 2008

Varanasi in rosarot

Da unser Hotel gestern Abend seine Divali-Festbeleuchtung bekommen hat, passt es nun wunderbar in unser Farbschema.

Hotel

Auch unser Lieblingsrestaurant (normalerweise pink mit gruen) gibt sich extra Muehe, uns mit bunten Lichterketten zu gefallen.



Heute Morgen sind wir um fuenf Uhr aufgestanden, um eine Bootstour bei Sonnenaufgang zu machen. Obwohl es anfangs noch ganz dunkel war, war auf dem Ganges schon viel Betrieb.

Ganges by night

Die Sonne ging dann nach kurzer Zeit ueber dem unbesiedelten gegenueberliegenden Ufer standesgemaess rosa auf.

Sunrise

Waehrenddessen ging es an den zentralen Ghats schon zu wie zur Rush-Hour.

Rush Hour

Sunday, 26. October 2008

Heilig, heilig, heilig

Varanasi ist angeblich die aelteste durchgehend bewohnte Stadt der Welt, von Shiva selbst gegruendet. Und der Ganges ist der heiligste aller Fluesse. Wer nach seinem Tod hier an den Ghats verbrannt und wessen Asche im Ganges verstreut wird, wird aus dem ewigen Kreislauf der Wiedergeburten erloest. Alles in allem eine sehr spirituelle Stadt. Auch die Reisefuehrer schwaermen von dieser einzigartigen Atmosphaere und der spirituellen Kraft, der man sich nicht entziehen koenne. Uns hat sie noch nicht erfasst.

Wir haben zwar schon viele Menschen bei ihren rituellen Waschungen am Fluss gesehen und verzottelte heilige Maenner, aber so richtig heilig kam uns das alles bisher noch nicht vor. Manches macht sogar den Eindruck, als waere es extra fuer die Touristen inszeniert, zum Beispiel die Feuerzeremonie Ganga Aarti. Die ist zwar nicht uebermaessig beeindruckend, aber nett ist es schon.



Vielleicht geht uns die Heiligkeit aber auch nur ab, weil wir noch nicht im Ganges gebadet haben. Aber die Entscheidung ist gefallen: Baden ist nicht! Auch nicht mit den Fuessen. Erleuchtung hin, Heiligkeit her - naeher als mit dem Boot werde ich dem Ganges nicht kommen.

Saturday, 25. October 2008

Neues Hotel - neues Glueck

Wir sind mal wieder umgezogen. Nicht jeder, der ein Hotel mit huebschen Zimmern hat, macht auch faire Geschaefte mit Touristen. In dem Prinzessinnenzimmer wollten wir sieben Naechte bleiben. Es hiess, wir bekaemen das fuer drei Naechte, dann waere es fuer eine Nacht gebucht und wir muessten in ein anderes Zimmer ziehen, und danach koennten wir dann wieder fuer drei Naechte zurueck. Da wir ja nichts reserviert hatten, fanden wir die Bedingungen ganz akzeptabel. Heute morgen, als wir in das Ausweichzimmer ziehen wollten, war das dann aber auf einmal die Gesindekammer ohne Fenster und eigenes Bad. Und auf einmal hiess es auch, das Prinzessinnenzimmer koennten wir nicht wieder haben - entweder vier Naechte Gesindekammer oder eine Nacht Gesindekammer und dann noch drei Naechte ein ueberteuertes anderes Zimmer weiter oben. Da die Preise dort insgesamt schon deutlich ueber dem ortsueblichen Durchschnitt lagen, haben wir uns gedacht: Veraeppeln und abzocken gleichzeitig? Nicht mit uns!

Jetzt sind wir in einem Hotel, das zwar nicht so viel Atmosphaere hat, aber es ist zentral gelegen, ziemlich neu und der Balkon auf den Ganges liegt im zweiten Stock, so dass wir einen guten Ueberblick ueber die Ghats haben.

Ganges View Nr. 3

Friday, 24. October 2008

Divali kommt

Divali, das Lichterfest, ist der wichtigste hinduistische Feiertag des Jahres. Das Fest beginnt am kommenden Montag und dauert mehrere Tage. Aber Varanasi scheint schon mal zu ueben. Bisher haben wir Indien entweder im gleissenden Neonlicht oder eher unzureichend beleuchtet kennen gelernt - wir erinnern uns an den Taj Mahal. Auch die Ghats von Varanasi sind nachts ziemlich dunkel, was nicht so richtig schoen ist. Umso ueberraschter waren wir daher gestern, als wir am hell und wunderschoen beleuchteten Raja Ghat vorbei gegangen sind.

Diwali



PS Ja, der Webmaster traegt wirklich Pluderhosen.

Thursday, 23. October 2008

Trinken in Indien

Der bedauerliche Mangel an alkoholischen Getraenken ist uns schon oefter aufgefallen. Und abgesehen von den Zigaretten des Webmasters machen wir hier sehr gesunden Urlaub: viel Wasser trinken, vegetarisch essen, und die Drinks bestehen nicht aus Alkohol, sondern aus frischen Fruechten. Der Webmaster trinkt gerade Saft von suessen Zitronen mit Ingwer, und ich habe reinen Granatapfelsaft.

Saft

Varanasi sieht aus wie Capri

Das sagt jedenfalls der Webmaster. Entweder sie hat heute wieder etwas zu viel Sonne auf den Kopf bekommen, oder es liegt an der Kurzsichtigkeit. Da die Sonne hier extrem hell ist und das die Augen sehr anstrengt, traegt man am besten immer eine Sonnenbrille. Doof ist nur, dass die vom Webmaster nicht mit Sehstaerke ist. Das fuehrt dann zu nicht ganz korrekten, aber sehr idyllischen Aussagen wie eben, dass die Ghats von Varanasi aussehen wie der Strand von Capri.

Matsch aus dem Ganges

Unser Biorhythmus ist kaputt

Wenn man keinen Fernseher hat und keinen Rotwein, wenn die Sonne um sechs Uhr abends komplett untergegangen ist und wenn dann nur noch Moskitos und andere Insekten aktiv sind, aendert sich der Biorhythmus von allein.

Die brennende Sonne, all die Hitze und der Dreck tun ihr uebriges, einen ganz poroes im Hirn zu machen. Da ist man dann abends auch einfach platt. Das ist natuerlich alles nur eine sehr flaue Ausrede dafuer, dass wir gestern um acht Uhr im Bett lagen. Acht Uhr - wie peinlich!

Das Gute am kaputten Biorhythmus ist aber, dass man den Sonnenaufgang ueber dem Ganges sehen kann.

Sunrise

Das ist wirklich der Sonnenaufgang, heute Morgen um sechs Uhr. Ich weiss auch nicht, warum der so rot ist. Sieht aus wie ein Sonnenuntergang. Aber Sonnenuntergaenge ueber dem Ganges gibt es in Varanasi nicht, weil - wie ja bereits erwaehnt - der Fluss falsch herum fliesst.

Wednesday, 22. October 2008

Im Gemach der Prinzessinnen

Heute morgen sind wir mit einen Ruderboot zu unserem neuen Hotel gebracht worden.

Ganges

Und jetzt haben wir ein Himmelbett mit Blick auf den Ganges! Ok, eigentlich ist es nur ein Moskitonetz, aber uns gefaellt unser neues Zimmer. Die Dusche ist sogar heiss, die Sessel sind nicht schoen, aber bequem, und wir haben sogar eine Micky-Maus-Kuckucksuhr ...

Hotelzimmer

Der Ganges fliesst in die falsche Richtung

In meiner Vorstellung lag Varanasi am Suedufer des Ganges, der die Stadt von West nach Ost durchfliesst. Sprich: Der Fluss fliesst von links nach rechts.

Wenn man am Ufer steht, sieht man aber ganz deutlich, dass er von rechts nach links fliesst. Das ist sehr irritierend: Ich fand, der Ganges macht das falsch.

Jetzt habe ich aber heraus gefunden, warum: Varanasi liegt am Suedwestufer mitten in einer S-Kurve. Das ist zwar plausibel, aber mir gefaellt die Erklaerung nicht. Mir waere lieber, er floesse andersherum.