28 Stunden im Zug

29.10. (Tag 1 im Zug) 11:31

Der Zug faehrt los, superpuenktlich und wir sind drin. Allerdings zur Zeit mit nur einem Liegeplatz. Wir standen wieder auf einer Warteliste, aber diesmal war es eine andere Art, so dass wir wenigstens beide mitfahren duerfen. Angeblich kommt gleich der Schaffner und gibt uns noch eine zweite Koje.

Tag 1, 12:03

Wir haben einen zweiten Platz! Mir ist voellig schleierhaft, wie die indische Eisenbahn funktioniert. Man denkt immer, das kann alles gar nicht gehen. Aber dann wird irgendwie doch immer alles gut. Ein absolutes Raetsel! Aber der Webmaster versteht das System. Ich wette man kann sie zukuenftig auf eine Vortragsreihe schicken: Die indische Eisenbahn und wie man nicht an ihr verzweifelt.

Tag 1, 13:46

Manchmal sieht Indien auch nicht anders aus als Niedersachsen. Die Ebene ist weit, auf den Feldern waechst irgendwelches Koernerzeug und die Baeume sehen aus, wie Baeume eben aussehen. Der Webmaster, der sich mit der Landwirtschaft auskennt, sagt, das stimmt nicht, weil die Felder zu ungleichmaessig sind und man erkennt, dass das von Hand und nicht von High-Tech-Landmaschinen bearbeitet wird. Aber fuer mich macht das keinen Unterschied. Ich denke mir die eine oder andere Palme aus dem Bild und die Lehmhuetten der Arbeiter und dann: Niedersachsen. Obwohl die Kuehe dort etwas moppeliger sind.

Tag 1, 16:37

Keinen Moment kann man den Webmaster aus den Augen lassen: In ihrer Nachbarkabine hat sie direkt Freundschaft mit den Einheimischen geschlossen. Aber es hat auch was genuetzt. Ihr neuer Freund hat ihr ueber die Sprachbarriere geholfen und dem Typen, der ueber mir einziehen wollte, klargemacht, dass er mit uns tauschen soll. Sehr schoen, so haben wir jetzt zwei Betten uebereinander. Ausserdem haben wir vom Freund des Webmasters gerade Laddoos (klebrig-suesse, aber ganz leckere Suessigkeiten) bekommen. Dazu hat er irgendwas von Verlobungsgeschenk erzaehlt - ich hoffe nur, dass heisst nicht, dass wir den Webmaster jetzt fuer ein paar Suessigkeiten eingetauscht haben.

Tag 1, 19:53

Wir sind jetzt ueber acht Stunden unterwegs und leider klappt es in diesem Zug nicht mit der Nahrungsversorgung. Chaiwallas kommen dauernd durch, eben auch ein Lassiwalla, aber der Bursche, der vor zwei Stunden die Bestellung fuers Abendessen aufgenommen hat, hat sich nie wieder blicken lassen. Man kann natuerlich auch auf jedem Haltebahnhof was kaufen. Der Webmaster kann das schon ziemlich gut, in der offenen Tuer stehen und bruellen "Do Chai!".

Tag 2, 07:29

Das Essen kam dann tatsaechlich noch irgendwann. War auch nicht uebel, aber etwas fluessig fuer so eine schaukelige Bahnfahrt. Schlafen kann man in den Zuegen erstaunlich gut. Fuer den durchschnittlichen Inder und uns westliche Zwerge sind die Kojen einigermassen geraeumig. Und das Geschaukel macht schoen muede. Vor einer guten Stunde bin ich aufgewacht, draussen ist immernoch Niedersachsen. Und weit und breit ist noch kein Chaiwalla in Sicht.

Tag 2, 10:31

Neue geografische Erkenntnisse
Nachdem wir Niedersachsen hinter uns gelassen haben, zieht am Fenster nun die afrikanische Savanne an uns vorbei. Aha, der Weg nach Bombay fuehrt also ueber Niedersachsen und Afrika. Wie auch immer, ich weiss, Bagdad muessen wir auf jeden Fall rechts runter. Das war wahrscheinlich Kolumbus Fehler, er ist in Afrika nicht rechts, sondern links abgebogen.

PS: Der Textdoctor wurde mit Chai versorgt und ist wieder halbwegs bei Kraeften - Kraft genug um mich zum Schreiben zu verdonnern.

Tag 2, 11:27

Ha, seit fast vier Wochen versuche ich, den Webmaster zum Schreiben zu animieren, aber nie wollte sie.

Wir sind jetzt seit ziemlich genau 24 Stunden unterwegs, aber bisher fuehlt es sich noch ganz ok an. Und einiges erstaunt mich wirklich. Die Toiletten zum Beispiel. Nun sind Zugtoiletten im Allgemeinen kein heiteres Thema. Aber hier sind sie echt ok, auf jeden Fall noch immer ziemlich sauber, die indischen wenigsten, die westlichen nicht so. Ebenso erstaunlich finde ich den Webmaster, der Zug faehrt wie ein echter Inder. Rausspringen am Bahnhof, was zu essen und zu trinken besorgen, ups ... der Zug faehrt ja schon wieder an - kein Problem, da springt sie dann ganz laessig wieder auf. Gerade hing sie aus der Tuer des fahrenden Zugs. Echtes Indienfeeling. Aber ich brauchte mir keine Sorgen zu machen. Der aelter Herr, der seine Koje uns gegenueber hat, und der original aussieht wie Clark Gable in braun, hat ja aufgepasst, dass der Webmaster nicht rausfaellt. Ich krieg jedesmal einen halben Herzkasper.

Tag 2, 11:52

Noch eine grundlegende Erkenntnis zu Indien: Tee wird hier quasi in Fingerhueten ausgeschenkt. In Restaurants und beim Chaiwalla an der Strassenecke bekommt man kleine Taesschen oder Glaeser, ich schaetze 150 bis 200 ml. Im Zug und am Bahnhof dagegen bekommt man Tee in homoeopathischen Dosen von 100 ml. Ich hab noch nie so winzige Pappbecher gesehen. Dafuer kostet er aber auch nicht viel, drei bis fuenf Rupien, das sind ca fuenf, sechs Cent. Nachdem schaetzungsweise siebenten gehts mir aber jetzt ganz gut.

Tag 2, 14:00

Wir sind da!
Carola (guest) - 3. Nov, 14:24

Bin jetzt erst dazu gekommen, den tollen Reisebericht zu lesen. Ich hab schön gelacht. Also, wenn ihr durch Niedersachsen mit den moppeligen Kühen gekommen seid, dann könnt ihr doch den Rückflug sparen - das müsste ja dem Webmaster sehr entgegen kommen. Was sagt den der Freund vom Webmaster zum neuen Freund im Zug???? Oder seid ihr den wieder los geworden...;-))???

Guten Rückflug schon mal - falls mir nix mehr einfällt....
Carola