Tuesday, 10. February 2009

Ach, lasst mich doch alle in Ruhe

Der Textdoctor guckt: End of Love von Simon Chung (Panorama)

Manchmal habe ich einfach keine Lust mehr. Dann will ich nach Hause, ins Bett und meine Ruhe haben. Und nie wieder Filme sehen. Schon gar nicht die typischen Berlinale-Filme: nichts pseudo-sozialkritisches, nichts formal avantgardistisches. Nach einem langen Tag voller doofer Filme war es gestern so weit: der tote Punkt der Berlinale. Lasst mich doch alle in Ruhe mit euren langweiligen Filmen, euren belanglosen Storys und euren verwackelten Bildern!

Die Berlinale des unbeendeten Film ist eröffnet

Leider habe ich mir meinen Zeitplan manchmal etwas eng gestrickt. Insbesondere wenn die Kinos weit auseinander liegen und man den üblichen Kampf mit den örtlichen Verkehrsbetrieben kennt, sollte man seinen Plan großzügiger gestalten. Wenn man aber gierig nach Filmen ist oder aber die unrealistische Hoffnung pflegt, dass Teleportation innerhalb der nächsten zwei Sunden erfunden und bis zur Marktreife geführt wird, macht man einen Plan wie meinen und muss dann leider des öfteren vor Ende des Films gehen. Bisher habe ich 18 Filmanfänge gesehen, aber nur elf Enden ...

Manchmal sind Filme keine Filme

Der Textdoctor guckt: Rage von Sally Potter (Wettbewerb)

Wenn man hört, dass lauter Schauspieler, die man sehr mag, in einem Film über die Fashion Industry mitmachen, erwartet man erstmal nichts schlechtes. Zumindest aber erwartet man aber einen Film.

Judi Dench ist ja eigentlich immer toll und Jude Law in drag klingt vieleversprechend. Aber was tun, wenn nichts passiert, die Kamera stundenlang bewegungslos in Closeups auf die Gesichter der Quasi-Interviewten hält? Filme schaffen Emotion durch Motion. Und wenn sich nichts bewegt, ist man auch nicht bewegt. Für mich war das nicht mal ein Film.

Vielleicht werde ich doch lieber wieder Vegetarier

Der Textdoctor guckt: Der Knochenmann von Wolfgang Murnberger (Panorama)

Abgesehen von Ralph Fiennes' blauen Augen und Clive Owens Armani-Anzug mein bisheriges Highlight. Wer die Romane von Wolf Haas kennt oder die beiden Vorgängerfilme Komm süßer Tod und Silentium gesehen hat, weiß warum. Schön, dass auf den morbiden Charme der Österreicher und ihren ekligen Humor immer noch Verlass ist!

Film ist, wenn schöne Menschen schöne Dinge tun

Der Textdoctor guckt: Help Gone Mad von Boris Khlebnikov (Forum)

Ich bin wahrlich kein Experte für osteuropäisches Kino. Bei Tarkowski schlafe ich immer ein, und ansonsten habe ich den starken Verdacht, geht es immer um unattraktive Menschen mit Alkoholproblemen und Depressionen. Aus meiner Sicht gilt obige Weisheit also nicht. Aber ich weiß ja, dass das alles nur billige Vorurteile sind. Und zur Berlinale geht man ja nicht zuletzt um Neues zu sehen und seine alten Vorurteile mal kräftig durchschütteln zu lassen. Also habe ich Help Gone Mad geguckt. Und? Elend und Tristesse soweit das Auge reicht. Sind alle Russen unglücklich? Können die vielleicht wirklich nicht lächeln? Oder werden die Menscchen einfach so in einem Land, das solche Filme hervorbringt?

Wolf Haas ist amüsanter als der Neoliberalismus

Der Webmaster guckt: L'encerclement von Richard Brouillette

und verlässt nach 20 Minuten das Kino.

Der Webmaster liest: Das ewige Leben von Wolf Haas

Da ich noch über zwei Stunden Zeit habe, statte ich der kleinen Buchhandlung gegenüber des nächsten Place of Action einen Besuch ab. Dabei fällt mir der Knochenmann ein und Wolf Haas, von dem ich vorher noch nie (Asche auf mein Haupt) und jetzt sehr viel gehört hab. Siehe da, ich werde fündig und nun sitze ich hier schon eine Stunde und könnte mich scheckig lachen. Da ich weiß, dass es keinen guten Eindruck macht, irgendwo rumzusitzen und die ganze Zeit in ein Buch zu lachen, reiße ich mich zusammen und freue mich anders über Brenner's Kopfschuss.

Hugh Jackman ist an allem Schuld

Der Webmaster guckt: The Beast Stalker von Dante Lam

Hugh Jackman ist an allem Schuld! Seit ich "Australia" gesehen habe, ist der Damm gebrochen. Ich weiß nicht, ob es an seiner Wasserszene oder an dem rührendem Film gelegen hat, jedenfalls heule ich seitdem bei jeder halbwegs anrührenden Szene im Kino wie der vielzitierte Schloßhund. Der Beast Stalker war eigentlich ganz nett, aber ganz nett sollte ein in guter alter Hongkong-Mannier daherkommender Film, glaube ich, nicht sein. Und wenn ich dem Textdoctor so zuhöre, macht mich das ganz neugierig und ich glaube, ich muss da mal ein paar ganz eigene Bildungslücken füllen: Leslie Cheung, ich komme!!!

In 30 hours around the world

Der Webmaster guckt:
The International von Tom Tykwer (Wettbewerb)
The Day After von Lee Suk-Gyung (Forum)
Lord JIm von Richard Brooks (Retrospektive)
The Reader von Stephen Daldry (Wettbewerb)
Gururi No Koto von Ryosuke Hashiguchi (Panorama Special)
John Rabe von Florian Gallenberger (Berlinale Special)


In den letzten 30 Stunden habe ich mich vollkommen der Berlinale hingegeben. Ich habe mit dem äußerst attraktiven Clive Owen das Guggenheim Museum zerlegt, habe mit zwei Koreanerinnen die ganze Nacht in ihrem Hotelzimmer gesoffen, bin mit dem wunderbaren Herrn Fiennes an Hanna Schmitz verzweifelt, habe zehn Jahre in Tokyo gelebt und dort eine japanische Ehe gerettet, und schließlich mit Herrn Rabe in China gelitten. Zwischen den Filmen bin ich mit all den anderen Umhängetaschen durch Berlin geflitzt, habe jemanden am roten Teppich angepöbelt und bin schließlich doch immer zur richtigen Zeit auf einem guten Platz im richtigen Kino neben netten Leuten gelandet ...

Zusammen mit den anderen Berlinale-Besuchern, die ich bei meiner Hatz von Film zu Film beobachte, kommen mir alle vor wie Mäuse, die wenn das Licht angeht eilig im Zimmer hin und her rennen, bis sie endlich wieder in die schützende Dunkelheit ihrer Mäuselöcher zurück huschen können. Ich mag die Berlinale.

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